Osmanische Periode

In den ersten Jahren der Gründung des Osmanischen Reiches lebten die Armenier mehrheitlich in Çukurova, Ostanatolien und in Kaukasien in kleinen Königreichen und Fürstentümern. Sie standen unter der Verwaltung des iranischen, byzantinischen, georgischen und seldschukischen Staates oder unter der Herrschaft kleinerer Staaten und Fürstentümer.

Die ersten Beziehungen der Armenier mit den Osmanen begannen im westlichen Gebiet Anatoliens, wo sie die Minderheit ausmachten. Nachdem Osman Gazi Bursa als Hauptstadt ernannte, wurde die Mehrheit der Armenier und der Amtssitz des obersten Geistlichen der Armenier von Kütahya nach Bursa verlegt. Nachdem Fatih Sultan Mehmet 1453 Istanbul eroberte, ließ er den geistlichen Führer der Armenier Hovakim von Bursa nach Istanbul rufen und ermöglichte mit seinem il Jahr 1461 herausgegebenen Erlaß die Gründung des armenischen Patriarchats. Als Yavuz Sultan Selim zwischen 1514 und 1516 den Süden Kaukasiens sowie Ostanatolien eroberte, wurden auch die Armenier in dieses Gebiet in die armenische Gemeinde aufgenommen und zum Patriarchat in Istanbul angeschlossen.

Da die Armenier sahen, daß ihnen vom Osmanischen Reich ein Interesse zukam, wie kein anderer fremder Staat oder Herrscher es ihnen in ihrer Geschichte bislang zukommen ließ, verbündeten sie sich aufrichtig mit dem osmanischen Staat. Aus diesem Grund wurde die armenische Gemeinde, die sich durch Einwanderung mehrerer Armenier nach Istanbul in kurzer Zeit bildete, zu einer der wohlhabendsten Gemeinden auf der Welt.

Während der 350-jährigen Periode zwischen der Herrschaftszeit von Fatih Sultan Mehmet bis zu der Herrschaftszeit von Mahmut II. griffen die Osmanen keineswegs in die gesellschaftlichen und religiösen Angelegenheiten der Christen und der Armenier ein. Mit der Hilfe der Amira genannten armenischen Bankiers, Händler und Staatsbeamten, wurden mehrere Schulen, Druckereien, Bibliotheken gegründet und mehrere jugendliche Armenier für ein Studium nach Europa geschickt. In dieser Periode konnten die unter russischer Herrschaft lebenden Armenier von diesen Rechten nicht Gebrauch machen.

Der armenische Patriarch Nerses schrieb 1876 in seinem Brief an den Ausschuß des Rates für Staatsbürgerschaft: "Die armenische Nation hat die Wahrung ihrer Existenz als eine Nation, ihrer Kirche, Religion, Geschichte und kulturellen Werte dem Schutz, der Hilfen und dem Wohlwollen der türkischen Regierung gegenüber das armenische Volk zu verdanken. Das Schicksal hat die Armenier an die Türken gebunden. Deswegen können die Armenier in Zeiten des Krieges und schwerer Prüfungen des Staates sich nicht gleichgültig verhalten. Im Gegenteil sind sie gezwungen, dem Staat zu helfen. Jeder Armenier, der sein Vaterland liebt, muß dem Staat helfen und den besten Dienst und die beste Hilfe der Armenier zeigen." Somit hob der armenische Patriarch hervor, daß die Armenier durch ihre Rechte, über die sie verfügten, im osmanischen Staat ihre Identität bewahren konnten.

Der osmanische Staat hatte durch den sogenannten Gülhane Erlaß des Sultans seine versprochenen Reformen bekanntgegeben, jedoch waren die Minderheiten mit den neu zuerkannten Rechten nicht zufrieden. Mit den Reformen wurde den nicht moslemischen Minderheiten die Wehrpflicht auferlegt. Zu konnten aber künftig als Beamte des staatlichen Dienstes arbeiten sowie zivile und militärische Schulen besuchen. Auf dieser Grundlage ließen die Armenier das aus 99 Artikeln bestehendes Statut des armenischen Volkes der osmanischen Regierung billigen, das 1863 in Kraft trat.

Wie alle anderen nicht moslemischen Minderheiten, wurden auch die Armenier als Bürger der ersten Klasse behandelt. Sie waren nicht wehrpflichtig, hatten besonders im Handel Schlüsselpositionen besetzt, so daß sie großes Ansehen unter der Bevölkerung genossen und reich wurden.

Die Treue der Armenier an den osmanischen Staat, die Annahme der türkischen Traditionen sowie die türkische Sprache, die sie gut beherrschten, machten es den Armeniern möglich, daß sie offizielle Ämter bekleideten. So konnte zum Beispiel im 16. Jahrhundert der armenischstämmige Mehmet Pasa bis zum Amt des Wesiren aufsteigen. Im 18. Jahrhundert waren die Juweliere des osmanischen Palastes Angehörige der Familie Düzyan aus Divrik, die später zum Minister zuständig für die Münzstätte ernannt wurden. Angehörige der Familie Sasyan waren Palastärzte. Im 19. Jahrhundert stammen die Minister zuständig für die Münzstätte aus der Familie Bezciyan. Im 19. Jahrhundert sowie während und nach der Herrschaftszeit von Abdülhamit fungierten Armenier als Beamten im Außenministerium sowie als Minister. Es gab ferner mehrere armenische Berater der osmanischen Staatsmänner.

Die Armenier waren, nicht wie behauptet, eine dem Völkermord ausgesetzte, sondern eine Gruppe, die jegliche Ämter des Staates bekleidet und jegliche Berufe ausübten.

Die auffallendste Erklärung über die osmanisch-armenischen Beziehungen kam vom Führer der armenischen Gemeinde in der Türkei. Der armenische Patriarch Mesrob ll., sagte in seiner Rede während einer Rezeption im Istanbuler Hilton Hotel am 22. Mai 1999 folgendes:

"Wir stehen kurz vor dem 3. Jahrtausend. Wir werden den Beginn einer dritten Periode in der Menschheitsgeschichte feiern. Ich finde, daß dies eine Gelegenheit für uns alle ist. Die Gelegenheit dafür, unsere Zukunft im Rahmen der Einheit der Kontinente, Kulturen und Völker zu gestalten...

Alle sehnen sich nach einer Welt, wo Menschenleben, individuelle Rechte und Freiheiten respektiert werden, die gerecht und fern von jeglicher Gewalt ist.

Der bevorstehende Wendepunkt ist nicht nur eine einmalige Gelegenheit, sondern auch eine schwere Prüfung für uns. Das 2. Jahrtausend, das wir bald hinter uns haben werden, war geprägt von tragischen Vorfällen.

Trotzdem gibt es auch unzählige Vorfälle aus dieser Periode, an die wir uns noch in den kommenden Jahrtausenden mit Respekt erinnern und sie feiern werden.

Genau wie die Feier von heute...

Die Gründung des armenischen Patriarchats in Istanbul ist ein historisch beispielloser Vorfall. Die Umwandlung des armenischen Bistums in Westanatolien, im Jahre 1461, also acht Jahre nach der Eroberung Istanbuls, durch einen Ferman von Fatih Sultan Mehmet, in das Istanbuler Patriarchat, ist ein offenes Beispiel der Vision Fatihs sowie der osmanischen Sultane sowie ihrer Toleranz zu anderen Religionen.

Im Laufe der Geschichte hat es weder vor, noch nach Fatih einen Herrscher gegeben, der einem Glauben angehörte und für die Gläubigen einer anderen Religion ein Amt für den höchsten Geistlichen einrichtete. Falls wir zu Beginn des Millenniums die weltweiten Spannungen und besonders die Kriegsatmosphäre in unserer Umgebung in Acht nehmen sollten, können wir den Wert dieses Vorfalls vor 538 Jahren, die Bedeutung der Toleranz zwischen Religionen und Kulturen, besser begreifen.

Mit Dank Gedenken wir an Fatih Sultan Mehmet, der das Leben der armenischen Bevölkerung innerhalb der osmanischen Grenzen nach den Traditionen und Bräuchen dieser Bevölkerung gestaltete, an alle Staatsmänner, die die gleiche Linie von Fatih verfolgt haben, sowie an unsere 83 Patriarchen, die beginnend vom Hovagim aus Bursa, im Jahre 1461, an der Spitze des armenischen Patriarchats in Istanbul gestanden haben.

Wir, die in der Türkei lebenden Armenier, glauben als größte christliche Gemeinde in unserem Land, an die glänzende Zukunft der Türkischen Republik, deren 75. Bestehungsjahr wir feiern und blicken mit Hoffnung auf die Zukunft."

EINIGE DER ARMENISCHEN MITARBEITER IM OSMANISCHEN STAAT

Agop Gircikyan Berater des ersten Botschafters des Osmanischen Reiches in Paris, Resid Pasa. Geschäftsträger der osmanischen Botschaft in Paris (1834-) Krikor Agaton Generaldirektor des osmanischen Postamtes (1864) Beamter im Außenministerium (1848-1850)

Sahak Abro Generalsekretär im Außenministerium (1850-) Sebuh Laz Sekretär in der türkischen Botschaft in Minas-Paris (1863) Krikor Odyan Direktor der Rechtsabteilung im Außenministerium (1870) Serkis Efendi Generalsekretär im Außenministerium (1870-1871) Ovakim K. Reisyan Richter des Gerichts in der Ortschaft Vize bei Istanbul / Richter des Vorführungsgerichtes auf der Insel Chios ( 1885 )/ Richter des Vorführungsgerichtes auf der Insel Rhodos (1887) Artin Dadyan Pascha Staatssekretär im Aussenministerium

Diran Aleksan Bey Türkischer Botschaftler in Belgien (1862) Inspektor der Post

Yetvart Zohrab Efendi Botschafter in London

Hirant Düz Bey Botschafter in Mesine (Italien 1900-1907)

Hovsep Misakyan Efendi Botschafter in Den Haag (1900-1907)

Sarkis Balyan Türkischer Konsul in Bergkarabakh und Italien

Azaryan Manuk Efendi Staatssekretär im Außenministerium

Kapriyel Noradunkyan Außenminister im Kabinett von Gazi Ahmet Muhtar Pascha (1912)

Agop Kazazyan Pasa Finanzminister/ Minister für die Privatkasse des Palastes

Mikael Portukal Pasa Staatssekretär im Finanzministerium (1886) / Generaldirektor der Ziraat Bank/ Minister für die Privatkasse des Palastes

Sakiz Ohannes Pasa Generalsekretär im Außenministerium (1871), Minister für die Privatkasse des Palastes (1897)

Garabet Artin Davut Pasa Botschafter in Wien (1856 - 1857) Gouverneur der Provinz Libanon (1861) Postminister und Minister für öffentliche Arbeiten

Krikor Sinapyan Minister für öffentliche Arbeiten

Krikor Agaton Generaldirektor der Post

Jorj Serpos Efendi Generalsekretär der türkischen Telegrammanstalt (1868)

Osgan Mardikyan Lehrer der Hochschule für Verwaltungsbeamte

Tomas Terziyan Lehrer der Hochschule für Verwaltungsbeamte Nisan Gugasyan Lehrer der Hochschule für Verwaltungsbeamte Tavit Çiraciyan Lehrer der Hochschule für Verwaltungsbeamte Krikor Zohrab Abgeordnete aus Istanbul Bedros Hallaciyan Abgeordnete aus Istanbul

QUELLEN: 1) Türk Devleti Hizmetindeki Ermeniler (1453-1953), Priester Komidos Çarkçiyan, Istanbul, 1953 2) British Documents on Ottoman Armenians (Band 4), 1983, 1989, 1990, Anstalt für Türkische Geschichte 3) Osmanli Idaresinde Ermeniler, Nejat Göyünç, 1983 4) Symposium zum Titel "Die Beziehungen der Türken zu der armenischen Gesellschaft in der Geschichte", an den Universität Atatürk, 1985 5) Beiträge und Reden bei der Tagung unter dem Motto "Armenier in der türkischen Geschichte, Universität 9 Eylül, 1985 6) Osmanli Ermenileri (Osmanische Armenier), Bilal Simsir, 1986 7) Osmanli Arsivleri ve Ermeni Sorunu (Osmanische Archive und die Armenier Frage), Türkkaya Ataöv, 1989