Der Friedensvertrag von Sèvres, der nach der Niederlage des osmanischen Staates im Ersten Weltkrieg unterzeichnet wurde, hatte den Armeniern neue Hoffnungen gegeben. In diesem Vertrag wurde vorgesehen, daß Armenien als einen freier und unabhängiger Staat anerkannt wurde. Die Landesgrenzen sollte der amerikanische Präsident, Wilson, bestimmen. Doch der Friedensvertrag von Lausanne, der den Vertrag von Sèvres für nichtig erklärte, und am 24. Juli 1923 die Türkische Republik gründete, beinhaltet keinen Artikel über die Armenier.
Ende 1920, nach dem sich die Türken an der südostanatolischen Front Erfolge erzielt hatten, rief der Völkerbund Vertreter von England, Lord Robert Cecil, die Generalversammlung zusammen, um Maßnahmen zu treffen, damit die Lage der Armenier verbessert, damit sie vor den angeblichen Gefahren mit denen sie konfrontiert werden könnten geschützt werden konnten. Bei dieser Versammlung wurde die Gründung eines Ausschusses beschlossen, der die Armenier Frage sofort lösen und den Konflikt zwischen Armeniern und Türken beilegen sollte.
Am 27. Februar 1921 trat die Londoner eine Konferenz zusammen. Bei dieser Konferenz wurden auch die armenischen Delegierten Bogos, Nubar und Ahrungen angehört. Diese Delegierten beharrten darauf, daß der Friedensvertrag von Sèvres nicht annulliert wurde und listeten eine Reihe von Gründe dafür auf. Die armenischen Delegierten forderten eine Autonomie für Kilikien. Der französische Delegierte unterstrich, daß die Änderung der Lage in Kilikien sehr schwer ist, sagte aber zu, daß die französische Regierung den Minderheiten in diesem Gebiet Bedeutung beimessen werde. Eine der wichtigsten Ergebnisse der Konferenz war, daß anstelle der Gründung des "unabhängigen Armeniens", die Gründung einer Heimat für Armenier in Ostanatolien beschlossen wurde.
Bei der Konferenz in London kam ein neuer, unbekannter Begriff, und zwar das Wort Heimat auf die Tagesordnung. Dieser Begriff wurde von den amerikanischen Missionaren erfunden um den Armeniern, die unter der Herrschaft der Türkei lebten, Autonomie zu gewähren. Der Völkerbund beschloß am 21. September 1921, daß dieser "Heimat" genannter Teil, von der Türkei getrennt und unabhängig werden sollte.
Die armenischen Delegierten widersprachen diesem Beschluß, weil sie ein unabhängiges, vereinigtes und einheitliches Armenien gründen wollten. 1922 versammelten sich die Außenminister von England, Frankreich und Italien in Paris und erörterten die armenische Heimat, deren Gründung bei der Londoner Konferenz im März 1912 beschlossen worden war. Die betreffende Resolution des Völkerbundes sollte befolgt werden. Doch zuvor, waren am 16. März 1921 das Abkommen von Moskau, am 13. Oktober 1921 das Abkommen von Kars zwischen Türken und den kaukasischen Republiken, am 20. Oktober 1921 das Abkommen von Ankara mit den Franzosen unterzeichnet worden. Man verstand, daß Kilikien den Türken überlassen werden sollte.
Lord Curzon sagte im April 1921 vor dem englischen Oberhaus, "die Mehrheit in Kilikien bestehe aus Moslems und Türken. Kilikien könne den Türken abgetreten werden." Dagegen wurde jedoch im Namen der Minderheiten in Kilikien protestiert.
Am 26. März 1922 trafen die Außenminister von Italien, Frankreich und England in Paris zusammen. Die Rechte, die durch den Vertrag von Sèvres den Armeniern zuerkannt worden waren, wurden für nichtig erklärt und zum ersten mal kam bei der Londoner Konferenz ein Projekt über die Gründung einer nationalen armenischen Heimat, anstelle eines unabhängigen Armeniens auf die Tagesordnung. England schlug vor, diese nationale Heimat in Kilikien zu gründen, wobei sich die Franzosen für Ostanatolien aussprachen. Kurzgefaßt wurden bei dieser Konferenz die folgenden
Beschlüsse gefaßt: "Die Lage der Armenier, die entsetzlichen Katastrophen, denen sie ausgesetzt sind sowie ihre Hilfen für die alliierten Staaten während des Krieges, müssen beachtet werden. Für den Schutz und die Lösung der Probleme der Armenier muß eine nationale Heimat gegründet werden. Für die Gründung dieser Heimat muß der Völkerbund um Hilfe gebeten werden."
Die Außenminister der alliierten Staaten, die in Paris zusammentrafen, verzichteten somit auf ihre Forderungen im Friedensvertrag von Sèvres sowie bei der Londoner Konferenz und übertrugen das Thema dem Völkerbund.
Nach dem Sieg der türkischen Armee, der am 26. August 1922 an der Westfront begann und am 30. August 1922 mit der Feldschlacht des Oberkommandierenden zu Ende ging, wurde am 11. Oktober 1922 das Abkommen von Mudanya unterzeichnet. Die Delegierten der Türkischen Republik wurden zu der am 28. Oktober 1922 im schweizerischen Lausanne stattzufindenden Friedenskonferenz eingeladen.
Die Armenier Frage wurde in Lausanne unter der Schlagzeile "Minderheiten Probleme" in die Hand genommen. In den Artikeln wurden über die Minderheiten die folgenden Behauptungen aufgestellt:
a. Die in der Türkei lebenden Minderheiten werden in Themen wie Religion oder Sprache einige Rechte erhalten, welche vom Völkerbund kontrolliert werden sollen. b. Christen werden nicht den Wehrdienst ableisten, dagegen aber eine bestimmte Summe von Geld bezahlen. c. Die Prioritäten in der Religion und Konfession werden gewahrt. d. Für die Minderheiten muß eine Generalamnestie ausgerufen werden. e. Minderheiten müssen eine Freizügigkeit genießen. f. Die umgesiedelten Armenier müssen in ihre vorherigen Orte zurückkehren dürfen. g. Die Armenier müssen in Ostanatolien oder in Kilikien eine Heimat bekommen.
Am 13. Dezember 1922 sagte Lord Curzon in seiner Rede während der Debatten über den Schutz der Minderheiten folgendes: "Jetzt werde ich ihnen über die Armenier erzählen. Dieses Volk verdient es, nicht allein wegen der Grausamkeiten, denen sie seit einigen Generationen ausgesetzt sind, sondern auch wegen des Versprechens über Selbstbestimmungsrecht für ihre Zukunft, beachtet zu werden. In der Sowjet Sozialistischer Republik Eriwan, sitz heute eine armenische Regierung. Wie ich gehört habe, gibt es dort 1.250.000 Armenier. Wegen der aus allen Teilen strömender Einwanderer, gibt es dort keinen Platz mehr für andere. Auf der anderen Seite haben die Armenier in Kars, Ardahan, Van, Bitlis und Erzurum Schäden erleiden müssen.
Als die Franzosen sich aus Kilikien zurückzogen, folgte das armenische Volk aus Angst der französischen Armee. Heute befinden sich diese Menschen in Iskenderun, Aleppo, Beirut sowie entlang der Grenze Syriens zu der Türkei. Ich glaube, von den rund drei Millionen Armeniern in Anatolien sind heute nur noch 130.000 zurückgeblieben. Die Mehrheit von ihnen, ist nach Kaukasien, Rußland, in den Iran und in andere Nachbarstaaten gegangen. (...) Ich glaube, wir müssen zusätzliche Artikel in den Vertrag aufnehmen, um die Armenier, deren Zahl künftig sowohl in Anatolien als auch im europäischen Teil der zukünftigen Türkei wachsen wird, zu schützen und ihre Sicherheit zu gewährleisten.
Nun möchte ich ihnen über die Forderungen der Armenier und der Armenier Freunde zur Gründung einer armenischen Heimat erzählen. Es ist natürlich, daß die Armenier auf eigenem Boden leben wollen. Die Territorien der armenischen Republik reichen jedoch nicht aus. Aus diesem Grund wird für die Armenier in der Türkei, im Nordosten oder im Südosten Kilikiens ein Boden verlangt. Die jüngste Lage hat die Erfüllung dieser Forderungen schwieriger gemacht. Doch würden uns die Einstellungen der türkischen Delegierten zu diesem Thema sehr interessieren." Lord Curzon forderte die Gründung eines Unterausschusses zur detaillierten Untersuchung dieser Frage und zur Unterbreitung von konkreten Vorschlägen. Auch M. Barer und Marki Garoni brachten ihre betreffenden Meinungen zur Sprache.
Der Vorsitzender der türkischen Delegation, Ismet Inönü, gab mehrere Informationen, wobei er sich auf Dokumente stützte und sagte folgendes:
"Das türkische Volk und die türkische Regierung haben erst am Ende ihrer Geduld Maßnahmen zur Unterdrückung der Aufstände ergriffen und eingegriffen. Die Verantwortung für jegliche schlechte Dinge, denen die Armenier in der Türkei ausgesetzt waren, tragen die Armenier selbst. Die Vorfälle von Adana im Jahre 1909 sowie die Aufstände in mehreren anatolischen Provinzen während des Krieges, sind eine grausame Fortsetzung dieser Tragödie. Wie auch aus den eben erwähnten Vorfällen zu entnehmen ist, haben die Türken niemals die Rechte der Nichtmoslems im Osmanischem Reich geleugnet, solange sie den guten Willen der Führer des Staates, wo sie seit Jahrhunderten in Frieden und Wohlfahrt gelebt haben, mißbraucht haben. Die jüdische Gemeinde, die bislang nicht eine einzige Beschwerde über ein unmenschliches Vorgehen der türkischen Regierung und des Volkes gefunden hat, ist ein weiterer Beweis dafür, daß die Ursache der traurigen Vorfälle im Zusammenhang mit den Griechen und den Armeniern, die Griechen und Armenier selbst waren. Die Geschichte rät uns, zwei wichtige Faktoren im Minderheiten Problem nicht außer Acht zu lassen.
Erstens: Der Willen einiger Staaten, unter dem Vorwand des Schutzes der Minderheiten, sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen, für Unruhen und Chaos die Minderheiten aufzuhetzen. Zweitens: Die innenpolitischen Entwicklungen, zu denen es kommt, nachdem die Minderheiten ermutigt werden und versuchen, einen Unabhängigen Staat zu gründen.
Nun zu den Armeniern: Die durch zusätzliche Abkommen verstärkten Beziehungen zwischen der Türkei und der armenischen Republik, schließen die Möglichkeit einer Umzingelung aus. Auf der anderen Seite müssen die Armenier, die sich für einen Verbleib in der Türkei entschieden haben, einsehen, daß sie als gute Bürger leben müssen.
Die Delegierten der Großen Türkischen Nationalversammlung vertreten die folgende Meinung: a. Die Verbesserung der Lage den in der Türkei lebenden Minderheiten hängt vor allem von der Einstellung jeglicher ausländischer Aufhetzung ab. b. Um dies zu erreichen, ist ein Austausch zwischen dem türkischen und griechischen Volk unvermeidbar. c.
Die beste Garantie für die Sicherheit und den Fortschritt der Minderheiten, die vom Austausch ausgeschlossen sind sowie für alle, gesetzwidrig und gegen die türkische Staatsbürgerschaft gehandelten Personen, und für alle Gemeinden in der Türkei, wird die Garantie der Türkei sein.
Die armenischen Delegierten waren enttäuscht, da im Lausanner Friedensvertrag die Probleme der Armenier nicht erwähnt wurden. Da die Bemühungen der Ententestaaten um die Armenier in Lausanne zu keinem Ergebnis führten, verteilten die armenischen Delegierten den Teilnehmern der Konferenz in Lausanne ein Kommuniqué. Darin hieß es zusammengefaßt wie folgend:
"Die armenischen Delegierten verstehen aus den Erklärungen der Ausschüsse der Lausanner Konferenz sowie aus den Prognosen der Presse über den Friedensvertrag, daß die Ententestaaten die Armenier im Stich gelassen haben. Wir möchten unterstreichen, daß es die Lage der Armenier verschlechtert hat, daß die Armenier Frage nicht gelöst werden konnte.
In den Friedensabkommen von Versailles, Sèvres, bei der Londoner Konferenz 1921, bei den Treffen in Paris 1922, waren Beschlüsse zur Rettung einiger Minderheiten im Osmanischen Reich sowie für die Schaffung einer Heimat für die Armenier gefaßt worden. Es konnte jedoch nichts vereinbart werden, was zur Einhaltung der Versprechen in Lausanne führen könnte, obwohl die Armenier während des Krieges als kriegerische Kraft und nach dem Krieg als Verbündeter anerkannt worden seien. Unter diesen Bedingungen bitten wir als armenische Delegierte und im Namen aller Armenier die Staaten noch ein mal, eine gerechte Lösung für die Leiden der Armenier zu finden. Ein solcher Frieden kann im Osten nicht dauerhaft sein."
Der Delegationsvorsitzender der armenischen Republik, A. Aharonyan, wandte sich am 9. August 1923 zum Völkerbund und forderte die Gemeinschaft auf, die Armenier Frage auf ihre Tagesordnung zu nehmen, da die Existenz der Armenier im Lausanner Friedensvertrag nicht anerkannt worden sei. Am 9. August 1923 entsandten Armenier an die Vertretungen der alliierten Staaten eine Protestnote, und betonten darin, im Lausanner Friedensvertrag seien die Armenier außer Acht gelassen worden. Der Vertrag sei unterzeichnet worden, als ob es die Armenier gar nicht gebe. Dieser Vertrag werde nicht zum Frieden und zu der Gerechtigkeit beitragen und die Armenier würden sich dagegen einsetzen. (*)
QUELLE: Uras, Esat, Tarihte Ermeniler ve Ermeni Meselesi, Istanbul, 1987, S. 422-438