DIKRAN KEVORKAN (Vorsitzender der armenischen Kirche in Kandilli) Der Vorsitzende der armenischen Kirche in Kandilli, Dikran Kevorkan hat an dem TV Programm "Ceviz Kabugu (Nussschale)" teilgenommen und folgendes gesagt:
"Völkermord und Umsiedelung (von einem Ort zum anderen bringen) haben verschiedene Bedeutungen. Die Spiele der Imperialisten, die apolitischen Traumführer der armenischen Leiter (Medien, Kirchen, Geistliche) sind schuld an diesen Ereignissen. Der Patriarch ist ein geistlicher Führer. Es wird ein Fehler begannen, indem man in politischen Angelegenheiten die Ansichten eines Patriarchen erfragt. Was hätten ASALA und PKK unternehmen können, wenn die imperialistischen Mächte nicht hinter ihnen gestanden wären?
Bei der Umsiedelungsangelegenheit hat Deutschland Druck auf Istanbul ausgeübt. Ziel war es, die ansässige Ordnung in Deutschland zu erschüttern und im Thema der Eisenbahn von Bagdad sich wirtschaftliche Vorteile zu sichern. Warum kam die Armenier-Frage zu Lebzeiten von Atatürk nicht an die Tagesordnung? Denn damals war die die nationale Seele vorhanden, es wurde zusammengehalten. Meiner Meinung nach kann man im gegenwaertigen Staatssystem von Vernachlässigung reden.
Zum Thema Assimilation kann ich sagen: Armenier können heute auf der Welt ihre eigene Idenität am besten in der Türkei ausleben. Der Armenier in der Diaspora im Ausland führt seinen Kampf fort, in dem er seinen Namen ändert. Denn dort wird mit einer Kulturlast die Kultur dieser Menschen aufgelöst.
Die Armenier der Diaspora, die sich gegen die Türkei aussprechen, wissen genau, dass in bestimmten Kirchen in Amerika der Opfergottesdienst Sonntags und auf englisch abgehalten wird. Die Armenier verlieren ihre Muttersprache. Doch wenn du das zur Sprache bringst, missfaellst du jedem. Wir als armenische Staatsbürger in der Türkei bringen deshalb unser Bedauern zum Ausdruck. Warum? Es wird gegenüber der von Atatürk anvertrauten Seele der Nationalen Streitkräfte ein Unrecht verübt. Sie sind die Spiele der Auslaender. PKK, ASALA, diese Verordnungen, all diese sind Spiele der Auslaender. Wir als Staatsangehörige in der Türkei sind der Ansicht, das ein Unrecht begangen wurde. Armenier sollten so klug sein und sich nicht ausnutzen lassen."
MESROB II. (Armenischer Patriarch)
Im Oktober 2000 nahm der armenische Patriarch Mesrob II. an einem Programm des Fernsehsenders CNN-Türk teil. Ein Zuschauer Namens Henika Kiremitci stellte ihm die Frage: "Ich frage mich, was aus uns in der Türkei lebenden Armenier, also aus der Minderheit werden soll. Wir sind beunruhigt." Daraufhin antwortete er:
MESROB II. - Ehrlich gesagt, wenn ich den Puls der Kirchenmitglieder in Istanbul fühle, merke ich eine Beunruhigung. Aber wenn Sie erlauben, möchte ich von hier allen Armeniern und Kirchenmitgliedern in der Türkei mitteilen, es gibt überhaupt keinen Grund zur Beunruhigung. Bitte vertraut dem gesunden Menschenverstand unserer Landsleute in der Türkei und vor allen Dingen unserer Regierung. Es gibt keinen Grund für eine Beunruhigung. Denn Sie haben mit diesen Entwürfen und Tätigkeiten von nah und fern nichts zu tun.
MESROB II. (Armenischer Patriarch)
Waehrend des Gottesdienstes vom 22. August in der Surp Krikor Lusavoric Kirche in Proti, bei dem auch der armenische Patriarch Mesrob II. als Vorsitzender anwesend war, predigte Hayr Sahak Apega von Surp Badarak zusammengefasst folgendes:
DER ERSTE TEIL DER PREDIGT
In Jerusalem gab es einen heiligen Brunnen, der Siloam genannt wurde. Zur Zeit von Rab Hisus sagten die Stadtbewohner, dass das Wasser des Brunnens manchmal plötzlich wellen trieb. Der Glaube war, dass derjenige, der in diesem Moment ins Wasser springt, von seinen Krankheiten geheilt wird. Hunderte von Kranken warteten am Rande des Brunnens und beteten. Einmal kippte eine der großen Säule am Rande des Brunnen um. 18 Menschen, die am Rande des Brunnen standen, kamen ums Leben, sie wurden unter der Saeule erdrückt. Dieses Ereignis ist im 13 Kapitel des Lukas Bibel registriert.
Rab Hisus hat seine Schüler an dieses Unglück erinnert und gefragt, ob die 18 Opfer noch sündiger seien als die anderen Mitglieder der Gemeinde. Als er keine Antwort bekam, sagte er "Nein!". Denn die Menschen sterben nicht nur in Folge ihren eigenen Fehlern oder Sünden, sondern auch aus anderen Gründen. Das eigentliche Thema ist: Naturkatastrophen oder auch andere Gründe, der Mensch muss immer auf den kritischen Moment zwischen Leben und Tod vorbereitet sein und soweit es in seinen Händen liegt nicht, unvorbereitet erwischt werden. Die größte Katastrophe im geistlichen Leben ist die Möglichkeit das Königsreich Gottes nicht sehen zu können. Wenn wir die Nähe Gottes und seine Liebe und Güte als Vater spüren wollen, müssen wir uns mit Gott versöhnen, indem wir ein Bußversprechen ablegen. Dies bildet den Brennpunkt in der Predigt von Pater Yahya (Surp Hovhannes Migirdic) und auch von der Bibel von Rab Hisusdar: "Beichtet, denn das Königsreich Gottes ist sehr nah."
Seit sechs Tagen beeinflusst uns das verheerende Erdbeben von Izmit. Neben den materiellen und geistlichen Werten ist auch die Belastung der 20.000 Opfer des Erdbebens kam auszuhalten. Dabei war bekannt, das sich das Erdbeben ereignen wird. Das ist eben die Natur des Menschen. Bis zum entscheidenden Zeitpunkt wollen wir Menschen nicht verstehen, dass die Maßnahmen viel zu Spaet getroffen wurden. Ob die Bauunternehmer, die den Tod von vielen Menschen verschulden, ein schlechtes Gewissen haben? Und die Verwalter, die in Zeitlupentempo handeln, was ist mit ihnen? Auf der anderen Seite die Griechen, die nicht nur Geld, sondern auch ihr Blut geschickt haben. Die israelischen Zuständigen, die ihren Menschen und Landsleuten sogar in einem andern Land würdigen, sind sie kein Beispiel der verdienten Hochachtung?
Vor der Fromm sein, muss man erst Mensch sein können. Derjenige, der den Menschen nicht liebt, kann auch den aus Geist bestehenden Gott nicht lieben, sagt Surp Hagop. Diejenigen, die bei solchen Naturkatastrophen Unterschiede in Religion, Sprache und Rassen machen, sind bedauernswerte Schöpfungen. So wie Rab Hisus in der Iyi Samiriyeli Geschichte lehrt, Menschen, die aus verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen kommen, sind sie die Kinder Gottes und Geschwister. Der Mensch sollte so tugendhaft sein, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, seinem Naechsten zu helfen. Menschen, die bei dem Erdbeben in Marmara gestorben sind, die leidenden Hinterbliebenen, deren Haus und Heim nicht mehr bewohnbar sind, sind unsere Geschwister. Jede Gläubige sollte soviel helfen wie in seiner Macht steht. Bei solch einer Qual Zuschauer zu bleiben, ist eine Schande und Sünde.
In den heutigen Tagen haben die Herbstregen angefangen. Die Erdbebenopfer, die auf den Straßen schlafen, erkranken. Während wir zu Hause in Sicherheit leben, dreimal am Tag essen, sollten die Katastrophenopfer unsere Geschwister nicht vergessen werden. Ihre Anteile von unseren Gaben, die uns Gott gegeben hat, sollten sie erreichen. Dies ist unsere erste Aufgabe.
Unsere zweite Aufgabe ist es, den Schaden an den Schulen, Kirchen und Patriarchats-Gebäuden unserer Gesellschaft in kürzester Zeit gemeinsam zu reparieren, wieder aufzubauen und die Gebaeude gegen weitere mögliche Erschütterungen zu staerken.
Doch während wir dies tun, dürfen wir eines nicht unbeachtet lassen. Und zwar: dieses Erdbeben sollte unbedingt ein Anlass dafür sein, sich Selbst zu fragen, unsere Bußversprechen zu erneuern und uns in sozialer, administrativer und moralischer Hinsicht zu reorganisieren.
DER ZWEITE TEIL DER PREDIGT
Jetzt wo sich das neue Lehrjahr nähert, möchte ich im zweiten Teil meiner Rede ein wichtiges Thema erwähnen. Unser geistliches und kulturelles Leben sind eine große Ruine. Der einzige Grund dafür ist Snobismus und Angeberei. Die Entfremdung von den Gemeindeschulen und vor allem die Anmeldung von Kindern der Neueichen in teure Schulen ist unverständlich. Um ihr Handeln zu rechtfertigen, beanstanden sie die Qualität unserer Gemeindeschulen. In diesem Jahr haben 8 Schüler von unserer Gemeindegrundschule die Aufnahmeprüfungen des Robert College mit hohen Punkten bestanden. Die Übergangsquote von unseren Gymnasien zur Universität liegt auch ziemlich hoch. Unsere Gymnasien stehen auf Platz 150 unter den erfolgreichen Gymnasien.
Sind das keine Erfolgsanzeichen? Diejenigen, die zweihundert Millionen für unsere Schulen zu teuer finden, schicken ihre Kinder auf Schulen, deren Kosten sich auf mindesten 2- 3 Milliarden belaufen. Sie tun ihren Kindern keinen Gefallen. Sie berauben ihre Kinder der eigenen Kultur, Sprache und des seelischen Reichtums. Wenn die Kinder morgen, übermorgen erwachsen geworden sind, werden sie mit Sicherheit ihre eigenen Eltern beschuldigen. Es gibt Automobilmarken. "Der Nachbar hat ein Auto dieser Marke, wir sollten auch eins haben", solche Gedanken können zum Vorschein kommen. Es gibt viele Alternativen bei Autos. Doch gibt es keine Alternativen für unsere Gemeindeschulen. In unseren Schulen werden die Kinder als bewusste türkische Staatsbürger erzogen und sie lernen die armenische Sprache und Literatur, beherrschen die Grundelemente der christlichen Religion.
Es gibt selbstverstaendlich Maengel an unseren Schulen. Doch sind die anderen Schulen perfekt? Natürlich nicht. So müssen wir also die leeren Kritiken zur Seite legen und zur Lösung der Probleme in den Verwaltungen, Schulkommissionen und im Elternbeirat aktiv teilnehmen. Die Erfolglosen, die sich nicht erneuernden Verwalter werden auf demokratische Art und Weise aus dem Amt entlassen. An ihre Stelle werden bessere gebracht. Dies kann nur der aktiven und wachsamen Teilnahme der Gemeinde möglich sein. Die Entfremdung von unseren Schulen bedeutet, dass unsere Familienordnung beeintraechtigt wird. Waehrend es früher so gut wie gar keine Scheidungen gab, ist die Scheidungsquote in unserer Gemeinde in den letzten zehn Jahren dramatisch gestiegen. Ehen, die keine heilige Zusage haben und die Zahl der ohne Trauschein Zusammenlebenden liegt bei etwa 60 Prozent. Es gibt zum Glück Nächstenliebende, die sowohl finanzielle Unterstützung leisten, als sich auch mit den Problemen der Gemeinde befassen und Auswege suchen. Dann gibt es aber wieder Eingebildete, die weder eine finanzielle Unterstützung leisten, noch Anteil an diesen Problemen haben. Doch wenn sie nicht am Haupttisch sitzen können oder auf den Fotos nicht zu sehen sind, werden sie wütend.
Was ist, wenn sich die führenden Persönlichkeiten des Volkes, die Gelehrten und Nächstliebenden nicht mit diesen Problemen befassen, wer dann? Ich habe außer meiner geistlichen und seelischen Berechtigungen keine Macht. Als Euer Patriarch sage ich euch: von Personen und Familien, die ihre Kinder von der eigenen Gemeinde, der Religion und den eigenen Schulen fern halten, nehme ich meinen Segen zurück. Wehe dem, der von der Segnung der Resuli Kirche und den kirchliche Würdenträger entbehrt ist. Was für ein Segen für diejenigen, die unter der Obhut der Familienliebe und Einheit leben.
Was für ein Segen für diejenigen, die durch unsere gnadenvolle und gütevolle Kirche, die mit den Sitten und Bräuchen unserer Vorfahren ausgerüstet ist, das Wasser der Unsterblichkeit von der Hauptquelle trinken können! Ich möchte kurz sagen: es sind nur noch ein paar Wochen, bis die der Unterricht an den Schulen wieder beginnt. Unterstützt unsere Schulen, entfernt eure Kinder nicht von euren eignen Schulen, ermutigt die Schulen und die lieben Lehrer, vertraut auf eure Schulen und Kirchen. Auch wenn eure Kinder seit 1-2 Jahren andere Schulen besuchen, bringt die Kinder in ihre eigene Lehrnester zurück!
MESROB II. (Armenischer Patriarch)
Das Interview vom Berichterstatter der Milliyet Zeitung mit dem armenischen Patriarchen Mesrob II., am 22. Mai 1999.
Frage - Bis zur Fatih Periode hatten die Armenier in Konstantinopel keinen Patriarchen. Warum?
Mesrob II. - Die Geschichte der armenischen Gesellschaft in Konstantinopel führt bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. Wir wissen, dass es im 6. Jahrhundert im Inneren der Festungsmauern eine armenische Kirche gab. Später hat Byzanz den Christen außer der orthodoxen Konfession keine Toleranz gezeigt und somit haben die Armenier ihre Gottesdienste in den Gebäuden außerhalb der Festmauern abgehalten. In allen Gebieten Westanatoliens, Thrazien und sogar bis nach Lvov war der osteuropäische geistliche Führer der armenischen Gesellschaft in Bursa. Für die westlichen Armenier in Byzanz war ein Patriarch nicht erforderlich.
Frage - Wie war die Lage der Armenier in Anatolien bis zur Eroberung Istanbuls?
Mesrob II. - Die Geschichte der christlichen Armenier in Anatolien fängt mit den zwei Aposteln von Jesus Christus, dem heilige Tadeos und dem heiligen Bartolomeos an, die in östlichen Gebieten als Missionar tätig waren. Im Jahre 301 hat das armenische Königreich das Christentum als offizielle Religion angenommen. Den 1700. Jahrestag dieses Ereignisses werden wir 2001 feiern. Somit wurde im Jahre 301 das Ecmiyadzin Patriarchat gegründet, das als Hauptpatriarchat der Armenier angesehen wird. Ab dem 6. Jahrhundert haben sich die Armenier in Jerusalem von der griechischen Kirche getrennt und ein armenisches Patriarchat gegründet. Das Patriarchat auf der Insel Aktamar der Provinz Van war der dritte Aktamar Patriarchat im 10. Jahrhundert. Das Zilizien Patriarchat in Kozan nahm seine Arbeiten im Jahre 1441 auf. Auf allen anderen Gebieten gab es den armenischen Episkop oder Hauptepiskop, die in der osmanischen Sprache "marhasa" genannt wurden.
Frage - Warum gab Fatih der armenischen Gemeinde in Istanbul die Patriarchat Befugnis?
Mesrob II. - Nachdem Fatih Istanbul erobert hatte, ließ er aus verschiedenen Gebieten Anatoliens Armenier nach Istanbul bringen, um sie in der Stadt anzusiedeln. Die Anerkennungen von Gennadios als griechischer Patriarch vom Hauptepiskop Hovagim aus Bursa als armenischer Patriarch kann darauf zurückgeführt werden, daß er ein Gleichgewicht zwischen den christlichen Staatsangehörigen herstellen wollte.
Man darf nicht vergessen, dass es innerhalb des Imperiums eine große Schar gab, die die byzantisch-orthodoxe Doktrin nicht anerkannte. Außerdem musste die Steuer, die an den Staat abgeführt wurde, von den armenischen Staatsangehörigen eingesammelt werden.
Frage - Während der osmanischen Ära sehen wir die Armenier als Handwerker und Kaufleute und als ein Volk, das die Probleme nicht all zu sehr erlebte. Nach der Periode von Mahmut II. nähern sie sich dem osmanischen Palast. Nach der Tanzimat Periode festigt die Gemeinde mit der Verordnung der armenischen Nation eine laizistische Autonomie und verfügt nun auch über eigene Abgeordnete und Minister. Unterdessen intensiviert sich die Auflösung auf osmanischen Territorien. Manche armenischen politischen Parteien leisten Widerstand gegen die zentrale Autorität. 1915 eskalieren die Ereignisse. Was denken Sie über die anhaltenden Diskussionen?
Mesrob II. - Ich glaube nicht, dass die Armenier zu dem Zeitpunkt auf der Suche nach Souveränität waren. Das Patriarchat und ein großer Teil der Gemeinde waren für die Osmanen. Ein Teil fühlte sich wegen der Plünderungen und dem politischen Durcheinander gestört und wollten eine vertrauensvolle Atmosphäre. Nur ein kleiner Teil, nämlich die Taschnaks, war hinter der Souveränität her.
In dieser Panik begingen die Verwalter den Fehler die Tendenzen dieser kleinen Minderheit, eigentliche der ganzer Minderheit zuzuschreiben. Meiner Meinung nach war das eigentliche Problem, der Anfang vom Ende der Osmanen. Viele Länder hatten ihre Unabhängigkeit erklärt. Natürlich haben auch einige westlichen Mächte bei diesem Durcheinander eine Rolle gespielt. Wegen dieser Gründe gerieten die türkisch-armenischen Beziehungen in eine unsichere Atmosphäre. Somit trat das Umsiedelungsgesetz in Kraft, was die Armenier als "große Katastrophe" ihrer Geschichte bezeichnen.
Es ist falsch anhand der letzten Phase der türkisch-armenischen Beziehungen bis zur Gründung der türkischen Republik die ganze Geschichte zu erläutern.
Man sollte die Geschichte ab dem fünften Jahrhundert betrachten. Man muss auch sehen, dass die erste armenische Druckerei in Istanbul gegründet, die ersten armenischen Bücher in dieser Druckerei gedruckt und das armenische Theater zu dieser Zeit in Istanbul gegründet wurde. Für mich ist das Wichtigste, dass Menschen von so vielen verschiedenen Gruppen, Kulturen und Religionen 600 Jahre lang in einem Reich unter dem gleichen Dach zusammen gelebt haben. Ich finde, das ist etwas zum Feiern.
Frage - Ist der Übergang zur Republik aus der Seite ihrer Kirche schmerzhaft gewesen?
Mesrob II. - Natürlich. Der erste Weltkrieg und die Umsiedelung waren geschehen. Eine Zerstörung hatte das ganze Volk beeinträchtigt. In den ersten fünf Jahren der Republik hatte die Gemeinde keinen Patriarchen. Nach der Wahl von Mesrob I. aus Mus im Jahre 1927 hatte die Normalisierung angefangen.
Frage - Was sind die heutigen Probleme ihrer Kirche und Gemeinde?
Mesrob II. - Von der religiösen und geistlichen Seite besteht kein Problem. Wir können wann und wo wir wollen unseren religiösen Verpflichtungen nachgehen. Das größte Defizit liegt in Priester und Pater. Eine Theologieschule ist erforderlich. Doch möchten wir dies mit dem Rat für Hochschulausbildung innerhalb des Universitätssystems lösen.
Die Gemeinschaft hat soziale Probleme. Die Deklaration von 1936 hatte unseren Stiftungen einige unzeitgemäße Festlegungen gebracht und müßte der gegenwärtigen Situation angepasst werden. So wie jemand für eine Moschee spenden kann, so sollte es auch bei der Kirche sein. Die nach 1936 an die Stiftung gespendeten Grundstücke sollen mit dem Urteil von 1970, obwohl Grundbuchauszüge vorhanden sind, an ihre Eigentümern zurückgegeben werden. Wenn die alten Besitzer verstorben waren, wurden die Grundstücke beschlagnahmt. Ich wünsche, dass diese Durchführungen so schnell wie möglich aufgehoben werden.
Frage - Wie sehen sie heute, an der Schwelle des Jahres 2000, das türkische Volk?
Mesrob II. - Auch wenn die Tagesordnung der Türkei, deren 75. Jahrestag wir gemeinsam feiern, durcheinander aussieht, sehe ich, wenn ich aus dieser Atmosphäre raustrete, dass die Lage eigentlich gar nicht so schlimm ist. Ich bin hoffnungsvoll gegenüber der Zukunft. Ich bin optimistisch in bezug auf die regionale Situation als auch über die zukünftigen Bemühungen unseres Landes. Mit der zeitgemäßen Anpassung des Systems wird die Türkei jedes Problem bewältigen, denke ich.
Frage - Was denken Sie über die gegenwärtigen Laizismusdiskussionen?
Mesrob II. - Dieses Prinzip ist auch in unserer Gemeinde vertreten. Das Dokument von 1863 bestätigt das. Diese Auffassung hält auch immer noch an. Ich, als der armenische Patriarch der Türkei, bin nicht daran interessiert, den Vorsitz von geistlichen Gerichten zu führen, die Ehen schließen und scheiden und Verfahren in Themen der Grundbesitze behandeln.
Ich, als Republikmensch, bin der Ansicht, dass eine Rückkehr unmöglich ist. Während wir uns Schritt für Schritt dem Jahr 2000 nähern, finde ich jede Bemühung das Leben mit religiösen Gesetzen zu leiten, was heißt, in das Mittelalter zurückkehren, albern.
Frage - Die Feiern anläßlich des Jahres 2000 interessieren alle Menschen. Aber für die Christen trägt es eine andere Bedeutung. Was sind ihre Beiträge für das "Millennium" Feierlichkeiten? Sind diese Feierlichkeiten nicht eine große Gelegenheit für die Türkei? Meinen Sie die Türkei mißt diesem Thema ausreichendes Interesse zu?
Mesrob II. - Wir messen dem große Bedeutung bei. Doch weiß ich immer noch nicht, für wie wichtig die zuständigen staatlichen Einheiten dies halten. Schauen Sie, in der Türkei gibt es die drei Hauptkirchen von Anatolien, nämlich die armenische, griechische und Syrische Kirche. Soweit ich weiß, ist mit keiner dieser Kirchen Verbindung aufgenommen worden. Wir sind bereit alles mögliche zu leisten. Doch wenn das im letzten Augenblick geschieht, habe ich Bedenken darüber, dass große Hindernisse auftauchen. Ich habe es immer gesagt:
Wenn von christlichen Seite gesehen Palästina und der Vatikan die Heiligsten Länder des Christentums sind, kommt Anatolien, also die Türkei gleich nach diesen. Denken Sie doch, die Hälfte der Apostel von Jesu sind hier begraben. Das ist hinsichtlich des Tourismus, der Kultur und der religiösen Beziehungen sehr wichtig. Im Jahr 2000 wird eine große Zahl von Menschen nach Israel reisen. Wie viele werden zu uns kommen? Wenn wir auf die Tourismus-Frage eine Antwort suchen, dann sollten wir dies beachten. Die kulturelle, folkloristische und religiöse Struktur der Türkei muß bis auf das letzte ausgenutz und bekannt gemacht werden. Ich denke, dass das nicht gemacht wird. Diese große Gelegenheit sollte ausgeschöpft werden.
MESROB II. (Armenischer Patriarch)
Am 22 Mai 1999 wurde im Hilton Hotel ein Empfang veranstaltet, bei dem auch der armenische Patriarch Mesrob. II eine Rede hielt:
"Wir befinden uns an der Schwelle des 3. Jahrtausends. Wir bereiten uns darauf vor, in der menschlichen Geschichte eine neue Ära zu feiern. Ich denke, dass das eine Gelegenheit für uns alle ist. Unsere Zukunft, mit dem Traum der Zusammenkommen der Kontinente, Kulturen und der Völker... Unser aller Wunsch ist eine Welt, die das Menschenleben, persönliche Rechte und Freiheiten würdigt, gerecht ist und fern von jeder Gewalt ist.
Dieser Wendepunkt ist nicht nur eineinzigartige Gelegenheit, sondern auch eine schwierige Prüfung. Die zwei Jahrtausende, die wir zurücklegen werden, sind voll von tragischen Ereignissen.
Trotzdem sind darin auch Ereignisse enthalten, an die wir uns immer mit Respekt erinnern werden und in den nächsten Jahrtausenden mit Freude feiern werden.
So wie wir den heutigen Tag feiern...
Die Gründung des armenischen Patriarchats ist ein einzigartiges Ereignis in der Geschichte.
Acht Jahre, nachdem Fatih Sultan Mehmet Istanbul eroberte, hat er im Jahre 1461 mit einer Verordnung das armenische Episkop in Westanatolien zu dem Patriarchat in Istanbul umfunktioniert. Dies ist ein sehr großes Beispiel der Toleranz von Fatih und den osmanischen Sultanen.
Dass ein Herrscher, der einer anderen Religion für Gläubige einer anderen Religion eine geistliche Stätte bauen lässt, wurde weder vor noch nach Fatih erlebt.
Während wir in ein neues Millennium übergehen und die Spannungen auf der Welt betrachten, vor allem die Kriegsatmosphären gleich in unserer Nähe, dann denke ich, dass wir den Vorfall vor 538 Jahren besser verstehen, den Wert besser schätzen können, den Wert, der Toleranz zwischen Religionen und Kulturen.
Wir möchten hier an Fatih Sultan Mehmet, der innerhalb der Grenzen des Imperiums eine Ordnung schuf, die der armenischen Gesellschaft ein Leben ermöglichte, in dem sie ihre Sitten und Bräuche leben konnten, an die Staatmänner, die auf seinem Weg dem Staat dienten und an den armenischen Patriarchen Hovagim aus Bursa, der im Jahre 1461 der erste in diesem Amt war und die ihm folgenden 83 Patriarchen, die treu ihre Dienste leisteten in Liebe gedenken.
Wir türkischen Armenier, die wir in unserem Land als die zahlreichste christliche Gemeinde leben, möchten das 75. Bestehungsjahr der türkischen Republik mit Freude begehen und schauen der Zukunft der türkischen Republik hoffnungsvoll entgegen."