Die Antwort auf diese Frage muss man in der anatolischen Geschichte suchen. Sogar die armenischen Historiker sind sich über die Abstammung der Armenier nicht einig. Und dies gibt die Frage, wo das Vaterland ist, zur Diskussion frei. Auf dieses Thema bezogen kann man die entgegengesetzten und widersprüchlichen Meinungen der armenischen Historiker wie unten in die Reihe setzen:
a) Die Meinung, die die Armenier an den Propheten Noah stützt: Diesem Gedanken zufolge sind die Armenier der Abstammung von Hayk, dem Enkel von Noah. Weil das Schiff von Noah auf dem Berg Ararat strandet, ist das Vaterland der Armenier Ostanatolien. Noch dazu hat Hayk 400 Jahre gelebt und sein Land bis nach Babylon erweitert. Diese Meinung beruht auf eine Sage und hat nichts mit der Wissenschaft zu tun. Somit kann man sich mit dieser Meinung nicht befassen. Der Historiker Auguste Carriére betont diesen Punkt und sagt "den Erkenntnissen der alten armenischen Historiker zu glauben, wäre eine Gedankenlosigkeit, denn die meisten Erkenntnisse sind erfunden."
b) Die Meinung, die die Armenier an die Urartäer stützt: Die Urartäer sind eines der ostanatolischen Volksstämme. Sie reichen bis 3.000 Jahre vor Christus. Es ist bekannt, dass sie im 7. und 6. Jahrhundert vor Christus zuerst von den Szythen, später von dem Meder angegriffen und vernichtet worden sind, dass das Gebiet auf dem sie lebten, als Schlachtfeld der Szythen und Meder diente und sie am Ende in die Herrschaft der Meder gerieten. Zu diesem Zeitpunkt begegnet man in Anatolien dem Namen Armenier überhaupt nicht. Außerdem sind sich die armenischen und urartäischen Sprachen in keiner Hinsicht ähnlich.
Die urartäische Sprache ist eine asiatische Sprache und zeigt Ähnlichkeiten mit den ural-altaiischen Sprachen. Zwischen den urartäischen und ural- altaiischen Kulturen sind die gleichen Ähnlichkeiten vorhanden. Die archäologischen Entdeckungen im Erzurum-Gebiet zeigen das offenkundig vor. Die armenische Sprache hingegen akzeptiert, dass die indisch-europäischen Sprachen in die Satem Gruppe gehört. Wenn das so ist, kann man keine Ähnlichkeit zwischen den Urartäern und Armeniern vorweisen. Um dies zu bestätigen, ist keine konkrete Entdeckung vorhanden.
c) Die Meinung, die die Armenier an den Stamm der Trak-Frig Stamm, die das urartäische Gebiet besetzten, stützt: Nach den armenischen Historikern wird diese Theorie am meisten übernommen. Demnach ist der Ursprung der Armenier der Balkan und sie stammen von den Trak- rig ab. Wegen dem Druck der Illyria sind sie im 6. Jahrhundert vor Christus nach Ostanatolien ausgewandert und haben sich dort festgesetzt. Auf den Namen Armenier trifft man zum ersten mal im Jahr 521 vor Christus in der Inschrift von dem Med (Perser) Herrscher Darius Behistun an. Es wird behauptet, dass die Aussage von Darius "ich habe die Armenier besiegt", die Wirklichkeit beweist. Diese Meinung vernichtet von selbst die Noah und urartäischen Theorien.
d) Die Meinung, die die Armenier an den Südkaukasusstamm stützt: Demnach ist das Vaterland der Armenier Südkaukasus. Ihre Nähe an die Kaukasus-Stämme und Kulturverwandtschaft werden als Grund für diese Theorie gezeigt. Ein anderer Grund ist, Darius, der die Armenier zum erstenmal erwähnte. Mit der Aussage "ich habe die Armenier besiegt" meinte er den Ort Kaukasus. Aber leider haben die Armenier mit den anderen kaukasischen Stämmen nichts gemeinsam.
e) Die Meinung, die die Armenier an den Turan Stamm stützt: Diese Theorie stützt sich an den Ähnlichkeiten zwischen einigen türkischen und aserbeidschanischen Stämmen angesichts der Kultur und dem verwandten Brauch gestützt.
Wie man sieht, wird die Abstammung und das Vaterland der Armenier sogar untereinander diskutiert. Unter solchen zweifelhaften Aussagen, kann nicht gesagt werden, dass die Armenier seit 3.000-4.000 Jahren in Ostanatolien existierten.
Der eigentliche Gedanke, der unter diesen Behauptungen vom armenischen Kreis liegt, ist, die armenische Existenz in Ostanatolien so weit wie möglich, in die Vergangenheit hinauszustrecken, Ostanatolien als ein Vaterland aufzuspielen und der Wunsch, noch dazu dies als eine alte Kulturexistenz zu zeigen. Somit wird vorgeschoben, dass die Türken das Land, das seit tausender von Jahren Eigentum der Armenier ist, besetzt haben.
Diese Behauptung ist überflüssig. Hinsichtlich der Geschichte waren die Armenier in Ostanatolien keine bodenständigen Einwohner, sondern haben sich hier später niedergelassen und können ihre Existenz auf diesem Gebiet nur bis 521 vor Christus vorweisen. Dabei weiß man, dass Anatolien seit mindestens 15.000 Jahren bewohnt ist. Das seit 15.000 Jahren bewohnte Anatolien ist für ansässige oder nomadische Volksstämme und sehr reiche Zivilisationen zur Heimat geworden. Es kann nicht die Rede davon sein, dass die Armenier, die in dieses Gebiet aus anderen Gebieten kamen und einer der späten Volksstämme in diesem Gebiet waren, Ostanatolien für sich alleine und als Heimat in Anspruch nehmen.
QUELLE: CARRIERE, Auguste; Moise de Khoren et la Généalogie Patriarcale, Paris, 1896